Anschreiben (Musterdialog)
Mein Name ist XY. Ich bin seit über zwei Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir kennen uns schon seit über sieben Jahren aus der Schule und haben seit drei Jahren denselben Freundeskreis. Im August 20XX habe ich mich in ihn verliebt und im darauf folgenden Herbst sind wir zusammengekommen.
Gleich zu Beginn merkte ich, dass er ein Problem damit hat in der Öffentlichkeit und insbesondere vor unseren Freunden und anderen Bekannten seine Gefühle für mich offen zu zeigen(Nichtbeachtung...) Anfangs dachte ich, dass ich damit klar kommen würde, weil ich ja weiß, dass er mich lieb hat, dies aber nur in verstärkten Maße zeigt, wenn wir allein sind. Er weiß auch selbst um sein Problem, ist aber nicht in der Lage es wirklich zu lösen, obwohl absolut niemand etwas gegen unsere Beziehung hat. Sind wir zusammen ist es immer sehr schön, doch schon sobald wir schon nur lokal getrennt sind, habe ich das Gefühl, dass er sich dann auch emotional von mir entfernt(nüchterne Telefongespräche ..) Ich habe den Eindruck, nur wenn er sich völlig unbeobachtet fühlt, kann er seine Gefühle zu mir "voll entfalten."
Im Februar letzten Jahres kam es, dass ich Depressionen bekam. Ich musste ständig weinen, entfernte mich von meinen Freunden und fing an, an meinen Freund zu "klammern" um mir so mehr Liebe "holen" zu können. Dies ist mir allerdings erst viel später klar geworden. Ich hatte mir vorher die ganze Zeit eingeredet, die Depressionen hätten nichts mit meinem Freund zu tun, da ich nicht wollte, dass er der Grund für diese Krankheit ist. Mein Selbstbewusstsein schwand immer mehr und ich machte mich selbst immer abhängiger von seiner Liebe. Ich wollte ihn unbewusst immer dazu drängen, dass er mir beweist, dass er mich liebt und habe angefangen, bei der kleinsten Unstimmigkeit an seiner Liebe zu zweifeln. Dadurch engte ich ihn ein, so dass er nach 1,5 Jahren mit mir Schluss machte.
Doch schnell merkte ich, dass es kein endgültiger Schluss war - er wollte mich oft "rein freundschaftlich" sehen, ihm ging es sehr schlecht und er weinte viel, schenkte mir zu Weihnachten ein Fotos aus der Zeit in der wir noch zusammen waren und gegen Ende des Jahres bekam ich einen Brief in dem er mir schrieb, dass er nur "mit dem Kopf" mit mir Schluss gemacht hatte, nicht aber mit seinen Gefühlen -
um es kurz zu machen, ich fing an um ihn zu kämpfen und wir sind seit Anfang Februar wieder zusammen. Dennoch hat sich in Bezug auf "Gefühle zeigen" meines Erachtens nicht viel verändert (im Gegenteil), auch wenn er es mir versprochen hatte.
Ich bin seit einigen Monaten in psychiatrischer Behandlung und nehme Antidepressiva, weil ich Angst habe mit dieser Situation auf Dauer nicht fertig werden zu können. Dennoch werde ich auf keinen Fall mit ihm Schluss machen, weil ich ihn liebe. Doch was kann ich tun, um ihn dazu zu bringen mehr Emotionen zu zeigen? Es kommt mir vor, als ob er in einem Käfig sitzt und nicht raus kann und ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann. Ich möchte ihn auch nicht wieder direkt damit konfrontieren, da er sich dann wieder unter Druck gesetzt fühlt. Gibt es einen Weg für mich das indirekt positiv zu beeinflussen oder kann man diese Verhalten nicht ändern? und woher kommt so ein Verhalten überhaupt(Erziehung,...?).
Alle anderen unserer männlichen Freunde haben nicht so ein Problem, sie können jegliche Gefühle auch vor anderen offen zeigen...und noch viel wichtiger: wie kann ich mein ständiges an-seiner-Liebe-zweifeln abstellen, um ihn nicht unter Druck zu setzen. Ich weiß nicht, ob es vielleicht ein Problem ist, dass er sich meiner Liebe so sicher ist und sich deshalb nicht ändert? Er versteht, glaub ich, nicht dass auch ich dieses Sicherheitsgefühl brauche. Oder sind wir einfach zu verschieden um MITEINANDER glücklich werden zu können?
Ich konnte hier sicher nur einen Teil von dem erzählen, was für eine genaue Einschätzung wichtig ist, aber ich hoffe, Sie können mir trotzdem helfen?! Ich bin sehr gespannt auf ihre Antwort und möchte Ihnen schon im Voraus danken.
Mit freundlichen Grüßen Vorname und Name
Hallo liebe Frau XY,
vielen Dank für Ihr Vertrauen das sie mir mit Ihrem offenen Schreiben entgegen bringen und sich mit ihrem persönlichen Anliegen an mich wenden. Ich werde versuchen ebenso offen und herzlich sowie qualitativ zu antworten, nehme mir 50 Min, eine Therapiestunde für Sie Zeit.
Sie beklagen, dass Ihr Freund die liebevollen Gefühle die Sie von ihm in der Zweisamkeit empfinden nicht in der Öffentlichkeit kund tut. Haben Sie sich schon einmal gefragt warum Sie das brauchen, dieses öffentliche kund tun? Warum Ihnen das bekennende Liebesgefühl in der Intimität nicht ausreicht?
Es gibt Menschen die zum Schutz ihrer feinen Gefühle damit nicht an die Öffentlichkeit gehen und sich davor scheuen sie laut anzumelden mit der Angst sie dadurch zu verraten und zu entehren. Das ist so gesehen nichts schlechtes und eher ein Zeichen von echten und authentischen Gefühlen die im Schutz der Intimität bleiben. Dieses Verhalten Ihres Freundes stellt in der Gruppe eine Besonderheit dar, er ist dadurch eventuell nicht angepasst und entspricht nicht den allgemeinen Geflogenheiten aber was ist für Sie wichtiger, das Spüren von authentischen Gefühlen Ihres Freundes oder die öffentliche Anerkennung in der Gruppe?
Sie erwähnen, dass Sie an Depressionen erkrankt sind, eine psychische Störung die durch gestörten Umgang mit Gefühlen entsteht. Sie wurde nicht durch Ihren Freund hervorgerufen aber eventuell dadurch ausgelöst, dass Ihre Erwartungen von der Beziehung sich in der Realität nicht umsetzten. Was erwarten Sie von Beziehungen, wie gehen Sie mit der Beziehung zu sich selbst um? Da liegt wohl eine Problematik vor, Ihre Beziehung zu sich selbst, deren Lösung noch offen ist.
Um darauf näher einzugehen ist diese E-Mail Antwort nicht geeignet, dafür wären Gespräche vor Ort notwendig.
Der Grund Ihrer Depressionen hat mit der aktuellen Beziehung zu ihrem Freund kaum etwas zu tun, sie sind eher in Ihrer Biographie zu finden aber natürlich können die Gefühle und dabei insbesondere Spannungen, Konflikte oder Krisen einer aktuellen Beziehung gewisse Defizite, Wunden oder unverarbeitete Dinge zum Vorschein bringen und wie in Ihrer Situation krankhaft in Erscheinung treten.
Das Klammern haben Sie als Fehler erkannt genauso wie sich in der Not an den Partner hängen und ihn mit seiner Liebe als einzigen Hoffnungsschimmer zu sehen, das ist eine Überforderung und Überfrachtung des Partners, dem kann er kaum stand halten.
Er hat sich von Ihnen getrennt als für diese Situation einzige machbare Lösung, jedoch blieben Sie in Kontakt und konnten einen neuen Versuch der Beziehung starten.
Das ist eine gute Chance etwas miteinander besser zu machen, die alten Fehler nicht zu wiederholen und dazu gehört auch, mehr auf die innere Stimme zu hören und die Beziehung danach zu gestalten und weniger die Beachtung der Öffentlichkeit zu brauchen, dass sie in der Gruppe sagen, ja ihr liebt euch man sieht es. Eine harmonische Beziehung findet eher im Inneren statt, in der Resonanz der Empfindungen und weniger an der Oberfläche als kräftige und schrille Demonstration der Empfindungen.
Gebe Ihnen mit auf den Weg, lernen Sie ihr eigenes Gefühl mit sich zu akzeptieren, gestalten Sie ein harmonisches Gefühl im Inneren mit sich, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten wie Meditation, Malen, Musik machen oder hören, Yoga, poetisches Schreiben oder ganz einfach bewusstes Wahrnehmen in der Natur. Sie werden sehen, wenn Ihnen ein guter Kontakt mit sich selbst gelingt werden Sie Ihren Partner lieben und seine Liebe spüren ohne diese Gefühle an die große Glocke hängen zu müssen um sie für alle deutlich zu machen und sie akzeptieren Ihren Partner in der zärtlichen Zweisamkeit genauso wie in der Distanz in der Öffentlichkeit.
Hören Sie mehr auf Ihre innere Stimme und weniger auf das Verlangen der Mitmenschen und sie haben die Chance ohne Depressionen mit Ihrem Partner zu leben.
Bin gerne bereit den Dialog mit Ihnen weiter zu führen wenn Sie antworten wollen um das Thema zu vertiefen. Bis dahin alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
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